In den kommenden Tagen sollen die Bauarbeiten am Titlis In Engelberg beginnen: Nach langer Planung werden eine neue Bergstation, ein neuer Turm und eine neue Bahnlinie entstehen. Die Kosten: rund 120 Millionen CHF!
Mit seinem über 3000 Meter hohen Gipfel gehört der Titlis zu den international bekanntesten Ausflugszielen der Schweiz. Im Sommer zieht er Gäste aus der ganzen Welt an, die auf dem Gipfel die überwältigende Bergwelt erleben wollen. Im Winter ist er zudem Teil des Skigebiets Engelberg und somit eine wichtige Destination für Wintersportler.
Über eine Million Gäste besuchen den Berg jährlich, in Spitzenzeiten weilen bis zu 2000 Besucher gleichzeitig auf dem Gipfel. Gedrängte Menschenmengen in der Abfahrtshalle und eine unklare Orientierung lenken allerdings vom eigentlichen Gipfelerlebnis ab und bringen die Bergstation an ihre Grenzen. Die bestehende Infrastruktur ist am Ende ihres Lebenszyklus angelangt, so die Ansicht der Bergbahnbetreiber.
Die Bergstation wurde im Jahr 1967 erbaut und seither mehrmals erweitert und umgebaut – entstanden ist ein bauliches Konglomerat mit einer in sich verschachtelten, nicht konsistenten Gebäudestruktur.
In einem ersten Schritt wurde eine Revitalisierung des bestehenden Gebäudes geprüft. Eine eingehende Untersuchung des Bestands der Bergstation, nicht zuletzt des Tragwerks, zeigte jedoch, dass ein Umbau die drängenden Probleme der Zirkulation und der Orientierung nur in ungenügendem Maß und mit überproportionalem Aufwand verbessern kann. Zudem ist es mit der bestehenden Infrastruktur und nur einer Bahn kaum mehr möglich die Sicherheitsstandards (Erdbebensicherheit, Evakuation und Brandschutz) zu gewährleisten.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde 2017 das Architekturbüro Herzog & de Meuron beauftragt, im Rahmen eines Masterplans für den gesamten Gipfel die Bergstation zu erneuern, den Richtstrahlturm touristisch zu aktivieren und den Verbindungsstollen zwischen Station und Turm aufzuwerten.
Das Projekt TITLIS setzt sich aus den drei Hauptelementen Bergstation, Turm und zwei Bahn Linie II zusammen.
Konzept
Wie ein flach wachsender Kristall entwickelt sich die Bergstation aus dem Berg heraus. Sie wird zu einer geologischen Struktur, die sich kanzelartig aus dem Gletscher herausschiebt und deren Silhouette gleichsam niedrig bleibt. Die bestehende, in das neue Gebäude integrierte Seilbahn gleicht einer Inklusion, wie man sie bei Kristallen findet. Strukturell verwandt mit dem Turm bildet die Station einen horizontal liegenden Körper und tritt dadurch nicht in Konkurrenz zu dessen Zeichenhaftigkeit.
Funktion / Raumangebot
Ähnlich dem Turm bildet ein Stahlrahmen ein strukturelles und zugleich formgebendes Gerüst. Der Rahmen spannt einen hallenartigen Innenraum auf, der ein neues Zentrum innerhalb der Bergstation schafft. So entsteht ein Raum, um auf dem Berg anzukommen und sich zu orientieren. Die Bewegung innerhalb der Bergstation nimmt die Topografie des Ortes auf. Eine geneigte Ebene schiebt sich in die Halle und verbindet das Perrongeschoss über Rolltreppen mit dem höher liegenden Ausgang zum Gletscher. Die geneigte Ebene setzt sich weiter nach unten fort und mündet in einem Rundgang (Panoramawalk) unterhalb der Seilbahnstation, der den Gästen den bis anhin versperrten Ausblick nach Westen eröffnet. Im obersten Geschoss der Bergstation befinden sich ein Gruppenrestaurant sowie ein Selbstbedienungsrestaurant mit insgesamt 600 Sitzplätzen. Die unteren Geschosse um die zentrale Halle beherbergen die bereits heute bestehenden Souvenirläden und führen die Besucher zurück zur Seilbahn.
Der Neubau integriert die bestehende Seilbahnstruktur der Rotair in den neuen Gebäudekörper und wird statisch als auch brandschutztechnisch entkoppelt um die Bahn herum gebaut. Eine Betonhülle ummantelt neu die Seilbahnstruktur und trennt die beiden Gebäudeteile voneinander.
Konzept
Der Turm verfügt über eine ausgesprochen rigide Stahlstruktur. In dieses gegebene technische Bauwerk werden zwei balkenartige Gebäudevolumen – mit der gleichen industriellen Stahlbautechnik – eingefügt. Dadurch entsteht eine kreuzförmige Figur und der Turm wird vom ursprünglichen Infrastrukturbauwerk zu einem weithin sichtbaren Zeichen transformiert.
Funktion / Raumangebot
Die beiden, sich kreuzenden Balken sind verglast und beherbergen verschiedene Angebote wie Bar, Lounge und Restaurant. Diese richten sich an den Individualgast der Ruhe, Erholung und Genuss sucht. Insgesamt bietet der Turm Raum für 330 Sitzplätze, verteilt über die beiden Hauptgeschosse. Über den beiden Balken wird die bestehende Wartungsterrasse zu einer ungedeckten Aussichtsterrasse erweitert.
Zusätzlich zu den beiden Balken werden die bestehenden vier Vertikalträger um vier Erschließungsstrukturen erweitert. Diese helfen einerseits die erhöhten Lasten zu tragen und dienen andererseits zur Erschliessung mit Liften und Treppen. Der bestehende Betonsockel des Turms ist tief im Felsen gegründet und schliesst dort an den unterirdischen Verbindungsstollen zur Bergstation an. Damit wird eine direkte, wettersichere Anbindung möglich. Neu wird der Sockel gegen Norden um einen Anbau erweitert, der zwei Pistenfahrzeuggaragen und den Eingang vom Gletscher aufnimmt.
Der Turm als "USP"
Ob man den Richtstrahlturm auf dem Titlis von Engelberg oder vom Flugzeug aus betrachtet, imposant wirkt er von überall her. Ein vergleichbares Bauwerk auf 3000 Meter über Meer existiert nirgendswo sonst auf der Welt. Durch den Umbau erhält er ein noch prägnanteres Erscheinungsbild, unter anderem werden die übereinander gelegten Balken aus der Luft an ein Schweizerkreuz erinnern. Mit dem Turm verfügt der Titlis über ein Alleinstellungsmerkmal (USP), das den Namen Engelberg weit über das Tal und die Schweiz hinaustragen wird.
Konzept & Funktion
Parallel zur Rotair entsteht eine neue, einspurige Pendelbahn (Linie II). Nach der Bauphase kommt sie primär bei Evakuationen, für Materialtransporte und für die Beförderung von Gästen während Revisionsarbeiten der Rotair zum Einsatz. Die zweite Linie ist so konzipiert, dass sie Personen transportieren kann.
Die Bergstation der Linie II liegt knapp unterhalb des Klein Titlis auf 2990 m ü. M., ungefähr 70 Meter von der Bergstation der Rotair entfernt. Architektonisch führt sie die Gestaltungsprinzipien der neuen Rotair-Bergstation weiter: ein kristalliner Glaskörper, der sich über einem Betonsockel erhebt. Der Glaskörper bildet eine vor der Witterung geschützte Perronhalle. Im darunterliegenden Sockel befinden sich der Antrieb der Seilbahn und die Elektroerschliessung des gesamten Bergs. Die beiden Bergstationen sind unterirdisch durch einen Stollen verbunden.
Die Talstation befindet sich auf 2400 m ü. M. auf dem Stand. Sie ist bergseitig der bestehenden Station angeordnet. Aufgrund ihrer Funktion als Evakuations- und Logistikbahn hat die Station kein Dach und wird ohne weitere Infrastruktur erstellt.
Die einspurige Pendelbahn ist dadurch auch baulich klar als untergeordnete Nebenbahn gegenüber der Hauptlinie unterscheidbar.
Am 15. März 1967 transportierte die Pendelbahn Stand - Titlis zum ersten Mal Gäste auf den über 3000 Meter hohen Klein Titlis. Die Startphase und die ersten Betriebsjahre der Luftseilbahnen Trübsee - Stand - Titlis AG waren so steinig wie das Gelände. Der Bau der Pendelbahn stieß auf reges internationales Interesse, aber unter den Alpinisten auch auf Skepsis. Versöhnlich notierte hingegen zum Bau des Titlis der Engelberger Mönch und Alpinist Pater Karl Stadler OSB: "Noch einmal und noch einmal mag er sich dann die Fernsicht gönnen, die meines Erachtens das schönste Geschenk des Berges an seine Besucher ist."
1970 nahm der erste Gletscherskilift seinen Betrieb auf und 1972 öffnete das Panoramarestaurant Titlis seine Türen. Bereits 14 Jahre später, im Juli 1986, konnte das vollständig erneuerte Restaurant eingeweiht werden. Im folgenden Winter nahmen die Gletscherskilifte Rotegg und Titlis den Betrieb auf. Letzterer wurde nach 13 Jahren durch die Sesselbahn Ice Flyer ersetzt. Mit der Eröffnung der Titlis Rotair – der weltweit ersten drehbaren Luftseilbahn – schrieben die Titlis Bergbahnen 1992 erneut Seilbahngeschichte.
Von 1972 bis 1985 errichteten die Schweizerischen Postbetriebe die Mehrzweckanlage auf dem Titlis. Der Kommunikationsturm wurde im Jahre 2003 durch die Titlis Bergbahnen erworben und ist bis heute für wichtige Funktionen für verschiedenste Institutionen in Betrieb. 1994 kam eine erneute Erweiterung des Panoramarestaurants hinzu und 1999 erfolgte der umfangreichste Umbau der heute über 50-jährigen Bergstation.
Weitere Informationen zum Projekt Titlis (insbesondere zur Raumplanung, Nachhaltigkeit und Umwelt) findet ihr hier: www.titlis.ch/de/projekt-titlis/titlis